Sie sind in aller Munde, sagen wir auch in allen Medien: Die „westlichen Werte“. Irgendwie wurde da ein Popanz aufgebaut, der uns täglich um die Sinne geschleudert wird. Der Westen ist ja so gut, immerhin hat er diese Werte wie Demokratie, Freiheit, Konsum und Menschenrechte, behauptet er; der Rest der Welt ist böse. Oder wenigstens bedrohlich. Das ist eben alles eine Sache der Perspektive – andere Länder, andere Werte, würde ich meinen, denn Freiheit und Menschenrechte gibt es nur im Westen. Ähm…, ? Ehrlich gesagt fällt mir kein Grund ein, warum „unsere Werte“ nun den Maßstab der gesamten Welt bilden sollen. Das ist doch anmaßend und überheblich.
Und es gibt sie dann auch – die anderen, meine privaten westlichen Werte: Die „Suppenküche“ zum Beispiel, im Schönsprech auch „Tafel“ genannt. Armut wird als Begleiterscheinung dieses Systems festgeschrieben und wer auf Gratis-Essen angewiesen ist, hat selbst schuld. Womit wir auch schon beim nächsten Wert sind: „Schönsprech“. „Friedensmission“ wäre ein Beispiel oder „alternativlos“, „Kollateralschaden“ oder „Humankapital“, „Outsourcing“ und „Verschlankung“ oder „Defensive Architektur“.
„Doppelmoral“ wäre auch eine sehr aktueller Wert und „internationale Verpflichtungen“.
schlagen wir das Kapitel der guten Seiten dieses Systems auf: Glückseligkeit, Religion, Reichtum, Aufstieg, Luxus, Überfluss…
Einer meiner unbestritten westlichsten Werte ist der „soziale Brennpunkt„, und weiter geht´s: Obdachlosigkeit, Armut, Leiharbeit, Unterschicht, Prostitution, Privatisierung, Arbeitslosigkeit, Bibel-TV, Finanzkrise, Horoskope, Profit, Unisex-Klos, Rechtsextremismus, Fast Food, Krieg, Negative Zinsen, Russophobie, Einkommensschere, Aktien, —*Lufthol*— Steuerparadies, Rauschgift, Gendertheorie, Zweiklassenmedizin, Sanktionen, Konkurrenzkampf…ich denke das reicht erst einmal.
Klar ist da die Frage, warum ich ausschließlich nicht so positiv belegte Werte nenne. Na ? Also gut, es ist nur meine persönliche Wahrnehmung – schlagen wir das Kapitel der guten Seiten dieses Systems auf: Glückseligkeit, Religion, Reichtum, Aufstieg, Luxus, Überfluss…ich merke gerade, daß man diese Begriffe unbesehen auch als sogenannte westliche Werte deklarieren kann, wenn einige auch nur einen Bruchteil der Gesellschaft berühren.
„Deutschland geht es so gut wie noch nie„, „das freieste und freundlichste Deutschland aller Zeiten“ – warum uns Politiker nun auch noch diese Scheißhausparolen um die Ohren hauen müssen, wissen sie schon. Fehlt noch „Hauptsache man hat Arbeit“. Irgendwas bleibt ja bei den Leuten doch hängen und wenn man negative Begleiterscheinungen dieses Systems ausblenden kann, ist doch alles in Ordnung in unserer schönen Welt?
Ich kann aber nicht so einfach ausblenden. Selbstverständlich liegt das an meiner Herkunft: Arbeiterfamilie. DDR-Erziehung und damit ein feineres Gespür für die – zart ausgedrückt – Unzulänglichkeiten in dieser Gesellschaft, welche uns als alternativlos verkauft werden. Das Lesen „zwischen den Zeilen“ unserer Lügenpresse oder auch mein Gerechtigkeitssinn. Also alles Vorraussetzungen, um öfter mal anzuecken; aber das bin ich in meinem „ersten Leben“ auch schon oft. Apropos – ja ich wünsche mir mein DDR-Leben zurück – mit allen Abstrichen und Fehlern, die dem damaligen Sozialismusmodell anhafteten.
In dieser BRD werde ich mit Sicherheit nie ankommen und inzwischen bin ich auch schon 60, da sollte man mir das nicht nachtragen. Das ist eben ein Vorteil, wenn man in beiden deutschen Staaten gelebt hat: Ich kann es abwägen; wie gesagt aus meiner (subjektiven) Sicht eines Arbeiters, und hat man ja nun wirklich nicht so viel zu lachen im heutigen deutschen Land.
Natürlich läge es jetzt nahe, ein paar „östliche“ Werte aufzuzählen; das spare ich mir aber diesmal. Genauso wie ich es aufgegeben habe, meinen in der BRD großgewordenen und amerikakonditionierten Arbeitskollegen zu erzählen, wieviel besser es im Osten war. Sie glauben es nicht und schlagen in der Frühstückspause lieber ihre BILD-Zeitung auf. „Bei euch gab´s ja nichts zu kaufen“ – das ist der Maßstab. Wenige Ausnahmen bestätigen diese Regel.
Bleiben ein paar Träume und Pläne. Träume von meinem Lottogewinn – ja, ich kann auch ziemlich profan sein und der Plan zurück aus dem gebrauchten Bundesland NRW in die Heimat zu ziehen. Der Plan hat inzwischen konkretere Formen angenommen, wie das bei Plänen im Vergleich zu Träumen eben ist. Das wäre mein besonders persönlicher Wert, der mir auch hier in Krefeld nie abhanden gekommen ist: Heimat.
Neben profan bin ich wohl auch ein bißchen konservativ.
Manchmal.