Gefühlsduselei

feel„Wie fühlst du dich?“ Fragt eigentlich keiner, also wörtlich, weil man sich ja auch gut fühlen kann, wenn es einem schlecht geht oder es einem ganz gut geht obwohl man sich schlecht fühlt, und außerdem interessiert das sowieso die Wenigsten.  Inzwischen wurde das mit „Alles gut?“ ersetzt. Spricht sich einfacher, also auch für Menschen mit Migrationsvokabular.

Gefühltes spielt sich im Kopf ab, jeder fühlt etwas anders und  man kann so ziemlich alles relativieren; im letzten Winter wurde zu 80 Prozent nur noch mit gefühlten Temperaturen  im Wetterbericht gearbeitet. Dadurch wurden die Werte zwar nicht genauer, aber man konnte sich besser mit der Kälte arrangieren. Ideal oder? So wurde auch der Beruf des Meteorologen wieder etwas salonfähig, bei Gefühlsmenschen jedenfalls.

schneemannBei Kontaktanzeigen beliebt: Das „gefühlte“ Alter. Mit solchen Aussagen machen sich Leute mit einem Alterssyndrom wieder topfit für andere. Daß man sich gefühlt älter wahrnimmt als man ist, kommt wohl so gut wie nicht vor – außer vielleicht als Patient.

Und natürlich müssen sich unsere Politiker auch dieses Verbs bedienen, viel besser kann man sich ja echte Probleme nicht zurechtschwurbeln, wenn man doch nichts ändern will. Die gepriesene westliche „Freiheit“ mußte mangels Existenz, einem „Freiheitsgefühl“ (der Deutschen) weichen. Dafür wurde der Verfasser dieses Ausdruckes allerdings auch  als ein“gefühlter Präsident“ eingeschätzt.

„Gefühlte Demokratie“ gibt´s dagegen eher im entfernteren Ausland, wäre ja noch schöner, wenn dieser erste westliche Wert auch noch zu einer Gefühlsverirrung bei Bundesbürgern verkommen würde.
Ob gefühlte Kriege, Wahrheiten, Ungerechtigkeiten oder Inflation, wenn Politiker Fakten mit „gefühlt“ veredeln, können sie  nicht für ihre Aussage haftbar gemacht werden. „Äh, war ja nur gefühlt…“

Ganz schwer tut man sich mit der Armut in der BRD. So richtig Arme gibt es ja hier angeblich kaum und so unterteilt man diese erst einmal in „absolute“, „relative“ und „gefühlte“ Armut. Vielleicht auch noch „sozio-kulturelle Armut“. Damit wäre das Thema schon mal vom Problemtisch. Man muß nichts konkretisieren, hat aber mitgeredet. Man weiß von dem Problem, aber es wurde nichts verändert. Oder es wird zum Thema „gespiegelt“ und da setzt man dann noch einen drauf: „Deutsche haben im Schnitt 60.000 Euro auf der hohen Kante.“ Oder „Die deutsche Wirtschaft boomt – und auch das Geldvermögen der Bundesbürger wächst rasant.“
Kann man noch besser von „scheinbarer“ Armut ablenken, wenn man so eine Presse hat?

Und viele „Freunde“ bei Facebook z.B. sind eigentlich nur gefühlte soziale Kontakte; das ist wie mit ner Luftgitarre in einer richtigen Band.

So, und jetzt geht´s mir etwas besser. Gefühlt.

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