Erziehungsfehler

Schuld an meiner teilweisen sozialistischen Fehlentwicklung haben natürlich meine Eltern. Zu Hause in Altenburg (bis 1963, ich war 8 Jahre alt) lief Westfernsehen und es tönte den ganzen Tag Radio Luxemburg oder irgendwelche anderen Westdudelradiosender. Danach in Lubmin ging das weiter, außer, daß es nur noch den DFF gab – den Deutschen Fernsehfunk.

Überreichweite

Das war für meine Eltern natürlich so nicht hinnehmbar und sie versuchten – mit Höhenverlängerung und Feinjustierung der Fernsehantenne – der Unterreichweite des Westfunks im Nordosten ein Schnippchen zu schlagen. Bei Wetterkapriolen („Überreichweite“) funktionierte das auch manchmal für sehr kurze Zeit. Ansonsten blieb nur das Radio. Aber das reichte, um meine prowestlichen Ansichten zu verfestigen.

Lehrzeit

Ich habe gelernt Gitarre zu spielen, englische Songs zu spielen, eigene Lieder gemacht und wurde auch noch ein Biermann-Fan.
Ja, so tief kann man sinken. Aber es war damals – in meiner Umgebung – eben angesagt, DDR-kritisch zu sein. Wie das so ist, in einer ziemlich freien Gesellschaft: Ich habe fast immer gesagt, was ich dachte und übrigens außer während meiner Armeezeit, keinen Ärger bekommen.

Ostrock

Bei der Umbesetzung einer Band Ende der 70-er in der ich mitspielte, kamen zwei neue Musiker dazu, welche auch Musikvorschläge einbrachten, die mir zum Teil völlig unbekannt waren. Ostmusik eben. Die hatte ich bis dahin weniger auf dem Sender – sozusagen.

Umstellung

Wie gut das DDR-Leben war, habe ich wirklich erst nach 1993 schätzen gelernt. Wie gut DDR-Rockmusik war, ebenfalls.
Jetzt bin ich einer der Wenigen, der die Hälfte seines Lebens in der DDR verbrachte und den Rest in einer asozialen Demokratie. Und davon bald 18 Jahre in NRW. Auch hier verteidige ich meine DDR – hier erst recht.

Fast vergessen die Zeit, wo ich den Westen angehimmelt und Westnachrichten für bare Münze genommen habe. Ich bin mit einem „University Florida“-Shirt rumgerannt, bis es mir vom Leibe fiel. Ostjeans? Also bitte.
Jetzt trage ich ein „KGB“-Shirt und habe ein „халтс маул весси“-Nicki – in Anlehnung an Holger Witzels Variante.

Fazit

Zusammengefasst: Die schlechteste DDR war besser als dieser „gut-und-gerne“ BRD-Saftladen. Es hat ein wenig gedauert, bis ich zu dieser Einsicht kam. Selbst nach 1990 habe ich diesem System noch eine Chance gegeben. Da wurde so viel versprochen… Das war so was wie ne Testphase.

Was soll ich sagen? Das Resultat 1993: Test nicht bestanden!

So wurde ich ein echter DDR-Fan.

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